Roe v. Wade

Am 22. Januar 1973 entschied der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten in einem Grundsatzurteil: Frauen hätten gemäß der US-Verfassung prinzipiell das Recht, selbst zu entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft abbrechen wollen. Bis 1973 waren Schwangerschaftsabbrüche in den meisten US-Bundesstaaten verboten oder nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig. Besonders strikt war das Abtreibungsverbot in Texas, wo der Fall "Roe vs. Wade" erstmals verhandelt wurde.

49 Jahre später, im Juli 2022, wurde das Urteil aufgehoben.

Zuerst werfen wir einen Blick auf die USA Anfang der 70er Jahre. Damals waren Abtreibungen in den meisten Bundesstaaten verboten. Gegen die strenge Abtreibungspraxis formierte sich eine breite Bewegung in der Gesellschaft. Diese setzte sich für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen und damit für die bundesweite Legalisierung von Abtreibungen ein.

Im Bundesstaat Texas klagte 1970 Jane Roe, ein Pseudonym für Norma McCorvey, für ihr Recht auf Abtreibung. In Texas waren Schwangerschaftsabbrüche nur in absoluten Ausnahmefällen erlaubt, zum Beispiel nach Vergewaltigungen. Die damals 26-jährige verklagte den Staatsanwalt der texanischen Stadt Dallas, Henry Wade – und bekam Recht. Das texanische Bezirksgericht entschied, dass das texanische Abtreibungsgesetz verfassungswidrig ist.

Das Urteil ermutigte Roe und ihre Anwältinnen vor den Obersten Gerichtshof der USA zu ziehen. Der Supreme Court erklärte das Abtreibungsgesetz ebenfalls für verfassungswidrig und begründete sein Urteil mit dem "Recht auf Privatsphäre". Dem Gericht zufolge greife das Interesse des Staates, ungeborenes Leben zu schützen, erst nach der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche. Das ist der Zeitpunkt, ab dem der Fötus außerhalb des Mutterleibs überleben kann.

Das Urteil räumte Frauen ein landesweites Recht auf Abtreibungen ein. Alle US-Bundesstaaten mussten diese künftig erlauben. Von 1973 bis 1981 verdoppelte sich die Zahl an Abtreibungen dem Guttmacher-Institut zufolge von 745.000 auf 1,58 Millionen.

In der amerikanischen Öffentlichkeit blieb das Urteil hoch umstritten. Insbesondere religiöse Gruppierungen und rechtskonservative Politiker*innen setzten sich zum Ziel, die Entscheidung rückgängig zu machen. Immer wieder scheiterten sie mit ihren Klagen – bis zum Jahr 2022. Nach fast 50 Jahren wurde im Juni das Urteil von "Roe vs. Wade" aufgehoben. Und das, obwohl laut Umfragen rund 60 Prozent der US-Bürger*innen das grundsätzliche Recht auf Abtreibungen befürworten.

Die mehrheitlich konservativen Richter*innen des Obersten Gerichtshofs der USA entschieden in einer knappen Abstimmung, dass die Verfassung kein Recht auf Abtreibung vorsehe. Sie gaben damit die Verantwortung für die Regelungen von Schwangerschaftsabbrüchen wieder an die Bundesstaaten zurück.

In einigen Bundesstaaten, vor allem im Süden der USA, haben sich die Abtreibungsgesetze nun deutlich verschärft – in 13 Staaten ist der Schwangerschaftsabbruch sogar weitestgehend verboten. 16 der demokratisch regierten US-Bundesstaaten haben wiederum das Recht auf Abtreibung gesetzlich verankert.

Dennoch bedeutet die neue Gesetzeslage für viele Frauen in den USA, die ihre Schwangerschaft abbrechen möchten, vor allem eines: längere Wege und höhere Kosten.

Vor allem jedoch stellt die Aufhebung von Roe v. Wade einen gefährlichen Präzedenzfall dar:

Das Recht von Frauen, über ihren eigenen Körper bestimmen zu können ist somit nicht gegeben und kann politisch instrumentalisiert, zur Debatte gestellt und entzogen werden.

Was bedeutet eigentlich…